Nachhaltigkeit & Klimaschutz

Fernwärme: Sinnvolle Erfüllungsoption für das neue Gebäudeenergiegesetz?

In diesem Beitrag beantworten wir alle relevanten Fragen zur Fernwärme im Zusammenhang mit dem überarbeiteten Gebäudeenergiegesetz (GEG) ab 2024.

Fernwärme: Sinnvolle Erfüllungsoption für das neue Gebäudeenergiegesetz?

Das neue Gebäudeenergiegesetz ist ein Meilenstein auf dem Weg zur verstärkten bis vollständigen Vermeidung fossiler Brennstoffe. Ein Kernelement ist, dass nach Möglichkeit jede neu eingebaute Heizung ab dem 01.01.2024 mindestens zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzt. In den meisten Fällen wäre das mit dem Umstieg auf eine Wärmepumpe verbunden. Dies setzte allerdings eine Diskussion über Kosten, Realisierbarkeit, zu kurze Fristen und andere Themen in Gang. Im GEG gibt es daher zahlreiche Ausnahmen von dieser Vorgabe.

Gebäudeenergiegesetz & Fernwärme: Lohnt sich das Warten auf Fernwärme bzw. einen Hausanschluss?

Immer schon aber galt im Gebäudeenergiegesetz auch Fernwärme als Erfüllungsoption. In der finalen Fassung erlaubt Ihnen das GEG sogar, auf Fernwärme noch einige weitere Jahre zu warten, ohne in der Zwischenzeit an die 65-Prozent-Regel gebunden zu sein. Aber lohnt es sich auf Fernwärme zu warten oder – wenn sie bereits bei Ihnen verfügbar ist – einen Fernwärme-Hausanschluss neu verlegen zu lassen? Ist Fernwärme teuer oder günstig und gibt es eine Förderung für Fernwärme? Mehr dazu im Folgenden.

Fernwärme: Was ist das überhaupt?

Das wesentliche Merkmal der Fernwärme ist, dass sie in großen Mengen aus meist zentralen Einrichtungen stammt. Das können effiziente Heizkraftwerke sein, die aus Kohle, Gas oder Öl über Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Wärmeenergie gewinnen. Dazu gehören auch Müllverbrennungsanlagen, Blockheizkraftwerke, Biomasseheizkraftwerke sowie weitere Heizwerke. Mit Großwärmepumpen sowie ohnehin anfallender Abwärme aus der Industrie steigt die Nachhaltigkeit der Fernwärme.

Wie funktioniert Fernwärme?

Wie aber funktioniert das mit der Nutzung der in den Kraftwerken erzeugten oder anfallenden Wärme? Mit Hilfe dieser Wärme wird Wasser erhitzt und ins Wärmenetz eingespeist. Zu den Abnehmern gelangt die Fernwärme über einen Hausanschluss. Mit der Wärmenutzung kühlt sich das Wasser ab und gelangt wieder zurück in den geschlossenen Kreislauf des Wärmenetzes.

Ist Fernwärme in Böblingen verfügbar?

Ja, in Böblingen ist Fernwärme verfügbar. Bereits ein Drittel aller Böblinger profitieren davon: Das Fernwärmenetz Böblingen erstreckt sich über eine Länge von ca. 60 km und hat zahlreiche Anschlüsse für Privathaushalte, Gewerbe und Industrie.

Woher kommt die Fernwärme in Böblingen?

Primärer Wärmelieferant für die Fernwärme im Netzgebiet Stadt Böblingen ist das Restmüllheizkraftwerk (RMHKW), das 70 Prozent der Gesamtwärme beisteuert. Ergänzend dazu tragen die SWBB mit eigenen Wärmeerzeugungsanlagen sowie mit Abwärme aus dem Daimler Heizkraftwerk zur stabilen Wärmeversorgung bei. Die Wärmeerzeugung für das Netz in Dagersheim erfolgt durch ein hocheffizientes Gas-BHKW, ergänzt durch Spitzenlastkessel. Ein Indikator für die Umweltfreundlichkeit und Effizienz dieser Energiequelle ist der Primärenergiefaktor. Für die Fernwärme in Böblingen wurde ein Energieeffizienz-Wert von 0,22 bestätigt, was auf eine hohe Umweltfreundlichkeit und Effizienz in der Wärmeerzeugung hinweist. Und in Dagersheim liegt der Primärenergiefaktor bei 0,78.

Wie kann ich mit Fernwärme die Anforderungen des neuen Gebäudeenergiegesetzes erfüllen?

Eine Alternative, um die Vorgaben aus dem neuen Gebäudeenergiegesetz zu erfüllen, ist die Nutzung eines vorhandenen oder in Aussicht stehenden Anschlusses an die Fernwärme.

Ob Ihr Gebäude bereits an ein bestehendes Fernwärme-Netz angeschlossen ist, können Sie bei Ihrem kommunalen Versorger prüfen. In Böblingen finden Sie hier Informationen darüber, ob Ihr Gebäude am 60 km langen Böblinger Wärmenetz liegt.

Ob für Ihr Gebäude ein Anschluss ans Wärmenetz geplant ist, geht aus der kommunalen Wärmeplanung hervor. Die kommunale Wärmeplanung muss wie folgt von den Kommunen fertiggestellt werden:

  • Die kommunale Wärmeplanung muss für Gebiete ab 100.000 Einwohner bis 30.06.2026 erfolgen,
  • In Gebieten zwischen 10.000-100.000 Einwohnern bis 30.06.2028.
  • Für Gebiete unter 10.000 Einwohner sieht der Gesetzentwurf keine Verpflichtung vor.

Hausbesitzer müssen dann also entscheiden, ob sie bei einer erforderlichen Erneuerung des Heizsystems die 65-Prozent-Pflicht erfüllen oder auf Fernwärme setzen wollen. Sollte vorher ein Wechsel der Heizung notwendig sein, können Gebäudeeigentümer für den Übergang sogar eine neue oder gebrauchte Öl- beziehungsweise Gasheizung einbauen.

Und was gilt in Böblingen?

Ein wichtiger Aspekt bezieht sich auf die Konsequenzen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in Baden-Württemberg. Mehr als 100 städtische und große Landkreise in diesem Bundesland, einschließlich Böblingen, waren aufgrund des Landesrechts dazu aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2023 eine städtische Wärmeplanung zu implementieren. Es war unklar, ob die Anforderung, dass ab dem 1. Januar 2024 65 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen muss, sofort Anwendung finden würde.

Das Umweltministerium Baden-Württembergs hat nun Klarheit geschaffen: Gemäß dem Klimaschutz- und Klimaanpassungsgesetz (KlimaG BW) des Landes gilt der kommunale Wärmeplan als ein informeller Rahmen ohne direkte rechtliche Konsequenzen nach außen. Auch nach der Einführung des Bundeswärmeplanungsgesetzes wird sich daran nichts ändern.

Die Einreichung eines Wärmeplans durch eine Kommune bewirkt nicht direkt die Umsetzung der 65-Prozent-Vorgabe des GEG. Es bedarf einer gesonderten Entscheidung der Kommune, um spezifische Gebiete für den Neu- oder Ausbau von Wärme- oder Wasserstoffnetzen festzulegen, wie es § 26 des Wärmeplanungsgesetzes fordert. Diese Entscheidung soll auf Basis der Ergebnisse des kommunalen Wärmeplans erfolgen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Einhaltung der 65-Prozent-Regel des GEG kann von jeder Gemeinde individuell vorgezogen werden, sofern sie die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen hat und eine weitere Entscheidung trifft, die besagt, dass die abgeschlossene Wärmeplanung die Anforderungen des GEG auslösen soll.

Welche Voraussetzungen gibt es, damit sich Fernwärme für Kommunen lohnt?

Der Bau von Heizkraftwerken, Großwärmepumpen und Abwärmeanlagen sowie die Verlegung von Rohrsystemen für das Wärmenetz sind mit einem erheblichen Aufwand verbunden – wann lohnt sich die Investition für Kommunen und Stadtwerke?

Dieser Aufwand rentiert sich, wenn für jeden Meter im Rohrleitungssystem eine festgelegte Mindestabnahmemenge an Wärmeenergie erreicht wird. Daher ist Fernwärme hauptsächlich in dicht besiedelten Gebieten verbreitet. Aber auch im ländlichen Raum kann sich Fernwärme lohnen, wenn günstige Energiequellen in Form von Biogas oder Abfällen aus der Forst- und Holzwirtschaft vorhanden sind.

Was sind die Vorteile von Fernwärme?

Fernwärme hat alles in allem viele Vorteile - dazu zählen:

  • Niedrige Investitionskosten: Sie brauchen keinen neuen Heizkessel oder eine Wärmepumpe anzuschaffen.
  • GEG wird erfüllt: Fernwärme gilt im GEG als Erfüllungsoption für die 65-Prozent-Anforderung.
  • Platzsparend: Sie benötigen für die Fernwärme nur einen Hausanschluss mit Übergabestation. Das spart Platz.
  • Geringer Aufwand: Sie brauchen sich nicht um die Beschaffung und Lagerung von Brennstoff oder die Speicherung von Wärmeenergie zu kümmern.
  • Niedrige Wartungskosten: Sie sparen Kosten bei der Heizungswartung und benötigen auch keinen Schornsteinfeger mehr. Das kann langfristig zu niedrigeren Gesamtkosten führen und den Grundpreis der Fernwärme weitgehend ausgleichen.
  • Teilweise förderfähig: Es gibt Programme, über die Sie eine Förderung Ihrer Fernwärme beantragen können (siehe weiter unten).
  • Effizient und immer grüner: Fernwärme stammt aus effizienten Kraftwerken, aus Abwärme oder aus erneuerbaren Energiequellen. Der Anteil an grüner Fernwärme soll immer größer werden. Damit leisten Sie einen Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen.
  • Zukunftssicher: Gleichzeitig ist Ihre Wärmeversorgung sichergestellt.

Ist Fernwärme günstig oder teuer?

Die Investitionskosten für Fernwärme können sehr unterschiedlich sein. Wenn Sie von Gas auf Fernwärme umrüsten, kommen ganz grob Kosten in Höhe von 8.000 bis 15.000 Euro zusammen. Beim Umstieg können Sie Ihre alten Heizkörper mit Fernwärme übrigens fast immer weiter nutzen.

Betriebskosten für Fernwärme (mit Beispiel)

Die Fernwärme-Betriebskosten setzen sich aus Grundpreis und Arbeitspreis zusammen. Bei einem beispielhaften Grundpreis von 13 Euro/kW im Jahr und einem Anschlusswert von 25 kW, kommen für diesen Posten jährlich 325 Euro zusammen. Zusätzlich kommt noch ein Zählerpreis, in Böblingen sind das knapp 130 Euro. Der Arbeitspreis beträgt derzeit etwa 0,09 Euro/kWh (inkl. Preisdeckelung). Bei einem Verbrauch von rund 25.000 kWh betragen die Betriebskosten in diesem Beispiel damit insgesamt 2.705 Euro.

Kosten von Fernwärme im Vergleich zu Gas (mit Beispiel)

Wir versuchen einen Kostenvergleich von Fernwärme zu Gas aufzustellen. Um die gleiche Wärmeleistung zu erreichen, muss beim Gas allerdings ein etwas höherer Verbrauch angelegt werden. Wir gehen von 27.500 kWh aus. Der gegenwärtige kWh-Preis ist auf 0,12 Euro/kWh gedeckelt. Mit einem jährlichen Grundpreis von etwa 120 Euro kommen damit im vorliegenden Beispiel jährliche Gas-Betriebskosten von 3.420 Euro zusammen.

Gibt es eine Förderung für Fernwärme?

Der Anschluss an ein Wärmenetz wird vom Bund gefördert. Seit dem 1. Januar 2024 unterstützt die überarbeitete Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) Gebäudeeigentümer beim Heizungstausch.

Die Förderung setzt sich wie folgt zusammen:

  • Eine Basis-Förderung, die 30 Prozent der Investitionskosten für neue Heizungssysteme deckt;
  • Einen Einkommensbonus von 30 Prozent für Haushalte mit einem jährlichen zu versteuernden Einkommen von höchstens 40.000 Euro;
  • Einen Klimageschwindigkeitsbonus von 20 Prozent, der ab 2029 alle zwei Jahre um drei Prozentpunkte sinkt und ab 2037 nicht mehr verfügbar ist.

Der Klimageschwindigkeitsbonus und der Einkommensbonus stehen ausschließlich selbstnutzenden Eigentümern zur Verfügung.

Fazit: Fernwärme ist eine sinnvolle Erfüllungsoption für das neue GEG

Keine Frage, Fernwärme ist eine sinnvolle Heizungstausch-Option für viele Gebäudeeigentümer. Im GEG ist sie anstelle einer Umrüstung durch ein teures Heizsystem auf Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien eine alternative Erfüllungsoption.

Die Entscheidung für Fernwärme darf sogar aufgeschoben werden, bis die kommunale Wärmeplanung vorliegt. Auch preislich kann Fernwärme oft mit Gas mithalten. Zudem machen Förderprogramme Fernwärme noch attraktiver. Zum zentralen Bestandteil der Energiewende wird Fernwärme dadurch, dass sie zu immer höheren Anteilen aus erneuerbaren Energien und Abwärme bestehen soll, bis sie dann vollständig als grüne Fernwärme verfügbar ist.